Um die in der internationalen Architekturpraxis verbreitete hohe Drop-Out-Quote von Frauen im Karriereverlauf (von >50% Absolventinnen zu ca. 20% selbständige Architektinnen) zu reduzieren, muss Bewusstseinsbildung in Unternehmen erfolgen, Frauenförderung und Frauennetzwerke verstärkt werden. Öffentliche Auftragsvergaben in der Architektur sollen mit einer nachzuweisenden betrieblichen Frauenförderung oder Frauenquote in den Architekturbüros verknüpft werden.
Um die Geschlechterstrukturen der Planungs- und Architekturpraxis nachhaltig zu verändern kann die verpflichtende Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung dienen. Zu den Zielen zählt das Erreichen von Geschlechtergleichstellung, die volle Teilhabe von Frauen und die Chancengleichheit bei der Übernahme von Führungsrollen.
Individuelle und unternehmerische Ebene
Frauen auf individueller Ebene zu stärken und zu Verantwortung zu ermutigen, ist auch Verpflichtung von Architekturbüros und benötigt Sensibilisierung seitens Arbeitgeber*innen. Frauen schätzen ihre eigenen Fähigkeiten zu niedrig ein, dadurch wird ihr großes Potenzial oft verkannt. Es ist wichtig, dass Frauen sich bezüglich der eigenen Qualifikationen und Kompetenzen mehr zutrauen und verantwortungsvollere Positionen anstreben. Ein offenes Arbeitsklima hilft Frauen, um ihre Karriereambitionen zu kommunizieren, mehr Verantwortung zu übernehmen und sichtbarer zu werden.
Weibliche Vorbilder, Mentoring, Weiterbildung
Die Vorbildwirkung von erfolgreichen Frauen sowie auch Mentoring gilt als äußerst wichtig in der Karriereentwicklung jüngerer Frauen. Aufgrund fehlender weiblicher Rollenvorbilder werden Frauen seltener Projektleiterinnen. Führungsqualitäten von Männern werden offensichtlicher bemerkt und akzeptiert. Deshalb ist die Erhöhung des Frauenanteils in verantwortungsvollen Positionen in Architekturbüros wichtig und kann ein Support-System bilden. Mentoring Programme unterstützen individuelle Karriere-Strategien und sollten frühzeitig begonnen werden. Allen Arbeitnehmer*innen sollen die gleichen Fortbildungsmöglichkeiten geboten werden. Frauenspezifische Weiterbildung soll gefördert werden. Dabei sind Empowerment sowie Stimm-, Sprech- und Argumentationstraining wichtig, weil es Frauen bei der Durchsetzung im Arbeitsleben hilft.
Frauennetzwerke, Initiativen, Forschung
Frauennetzwerke sind wichtig für die Stärkung von Frauen, um Potentiale sichtbar zu machen, Kooperationen einzugehen, Karrieren zu fördern. Organisationen aus Architekturlehre und -praxis setzen sich ein, die Situation von Frauen in der Architekturbranche zu verbessern. Mit Initiativen und Forschungsprojekten werden Fakten erhoben und Maßnahmen für langfristige Geschlechtergleichheit formuliert, die Eingang in die Berufsvertretungen finden sollen.
Stadt der Frauen – Wo bleiben die Architektinnen? Artikel, Der Standard, Österreich 2017
Seit vielen Jahren nimmt die Zahl der weiblichen Architekturstudierenden an österreichischen Universitäten zu. Sie sind begabt und ambitioniert, absolvieren während des Studiums oft eine Baupraxis, sammeln Erfahrungen in Büros, schließen ihr Studium mit ausgezeichneten Masterarbeiten ab, und gewinnen dann keine Wettbewerbe, da Bauen mit Machtanspruch verknüpft ist. Es haben sich Ausschließungsmechanismen von weiblichen Architektinnen etabliert, die es aufzubrechen gilt, beispielweise durch Planerinnenkollektive oder Fünfjahrespläne.
Einige weibliche Fachkräfte fühlen sich enorm unter Druck gesetzt, den Führungsstil ihrer männlichen Kollegen zu folgen, wenn es um die Verwaltung von Teams und Projekte geht. Der stereotypische männliche Interaktionsstil ist lose gekennzeichnet durch entschlossenes Handeln und einen autoritativen Ansatz. Es ist wichtig, Führungsqualitäten und Techniken zu lernen, jedoch nicht auf Kosten des persönlichen Stiles. Vormals weibliche Eigenschaften wie Geduld, Flexibilität und Kommunikation, sind heute sehr effektiv in Führungsrollen.
Traumberuf Architektin – Risiko oder Erfüllung? Expertinnengespräch, Deutschland, 2004
Ein Gespräch zwischen Johanna Busmann, Rhetoriktrainerin aus Hamburg und Gudula Nieke-Mast, freie Architektin und Vorsitzende des Arbeitskreises Architektinnen der Architektenkammer Baden-Württemberg über Berufschancen, Herausforderungen, Einkommen, Vereinbarkeit Beruf und Familie von Architektinnen sowie Strategien für beruflichen und persönlichen Erfolg. Sie trafen sich im März 2004 beim 2.Lernkongress KKK-Karriere Kohle Kompetenz® für Anwältinnen in München und sprachen miteinander darüber, dass es in den Grundsätzen und Anforderungen beider Dienstleistungsberufe im Berufsalltag sehr viele Ähnlichkeiten gibt.
YesWePlan! Forschungsprojekt, EU.
Das Projekt „YesWePlan!“ Wird vom Erasmus + -Programm der Europäischen Union kofinanziert und verbindet verschiedene europäische Partnerorganisationen mit dem Ziel, Erfahrungen und Best-Practice-Beispiele auszutauschen, um die geschlechtsspezifische Kluft im Bereich Architektur und Bauingenieurwesen zu schließen. Diese Zusammenarbeit erfordert ein tiefgreifendes Verständnis der Situation in jedem Partnerland in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter, besondere Herausforderungen und potenzielle Befürworter von Verbesserungen.
ATP Architekten Ingenieure, Unternehmen, Österreich
Das Unternehmen ATP Architekten Ingenieure hat einen Frauenanteil von 25-49% bei 750 Mitarbeiter*innen und fördern aktiv Familienfreundlichkeit als zentralen Faktor der Unternehmenspolitik. Die Firma bietet Sozialleistungen wie eine Kinderkrippe für berufstätige Eltern und unterstützt den Wiedereinstieg nach dem Mutterschutz, indem die Kernarbeitszeit zwischen 9 und 12 Uhr liegt. Des Weiteren bietet das Unternehmen Heimarbeitsplätze, Väterkarenz und eine Arbeitsgruppe, die Karenzrückkehrer betreut.
Architektinnen Initiative nw. Website, Deutschland
Die Architektinnen Initiative NW vertritt die Interessen von Planerinnen in der Architektenkammer NW und betreut die Fachrichtungen Architektur, Landschaftsarchitektur und Innenarchitektur. Momentan haben sie 15 Sitze in der Vertreterversammlung und sind im Vorstand der AKNW. Sie arbeiten für die Anerkennung der Leistungen von Planerinnen im Berufsalltag und Gesellschaft, einer angemessenen gleichberechtigten Vergütung für Frauen, eine demokratische Altersversorge, wie Anerkennung von Erziehungszeiten und eine transparente, effiziente und mitgliedorientierte Architektenkammer.
Im Rahmen der EU-Frauencharta und der daraus resultierenden EU-Gleichstellungsstrategie zwischen Männern und Frauen für die Jahre 2010-2015 behandelt die Studie einen Einblick zur Meinung der Europäer zur gleichberechtigten Vertretung von Frauen und Männern in Führungspositionen. Die Mehrheit der Europäer glaubt, dass die Unterrepräsentation von Frauen in Verantwortungspositionen mehr mit der Geschlechterrolle von Frauen und Männern, sowie der Position in der Gesellschaft zu tun haben, als mit mangelnden Fähigkeiten von Frauen.
Frauen in leitenden Positionen der Architektur: Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils, Seminararbeit, Katharina Rohringer, Österreich, 2019
Die zentrale Forschungsfrage dieser Seminararbeit lautet: „Mit welchen Maßnahmen könnte der Anteil von Architektinnen in leitenden Positionen in Architekturbüros erhöht werden?” Es werden Vorschläge und Best-Practice Beispiele zusammengetragen, die die Situation für Frauen in Architekturbüros verbessern und für mehr Chancengleichheit in Bezug auf den Aufstieg zu leitenden Positionen wie der Projektleitung, der Büroleitung oder einer Partnerposition sorgen könnten.