Die Architekturprofession hat eine historisch männlich geprägte Berufskultur mit einer Berufsideologie des Künstlerarchitekten und einem Starsystem. Im Zentrum steht die Stilfigur Architekt, ein kreativ schaffender und stets einsatzbereiter Mann. Das berufliche Selbstbild ist stark idealisiert, Selbstverwirklichung wird angestrebt. In den meisten Büros geht alles um die völlige Hingabe an das architektonische Werk.

Der Architekturberuf ist daher verbunden mit überlangen Arbeitszeiten und einer Unterordnung des Privatlebens. Die Anforderungen und Erwartungshaltungen an Beschäftigte in der Architektur sind hoch. Sie umfassen hohe Einsatzbereitschaft, ständige Verfügbarkeit und hohe Identifikation mit Projekten und dem Beruf. Wer dieser hohen Erwartung nicht entgegenkommen kann, wird für den Architekturberuf als nicht geeignet dargestellt.

Der Architekturberuf zählt innerhalb der kreativen Branchen zu jenen mit den längsten Arbeitszeiten, durchschnittlich 51 Wochenstunden. Die Mehrheit, der in der Architektur Beschäftigten arbeitet Vollzeit, europaweit sind es 78%.

Arbeitszeiten von ArchitektInnen in Europa, Sector Study 2018, Architects Council of Europe

Im Rahmen dieser Studie wurden Auslandsausbildung, Arbeitszeit und Einkommen der Architekten in Europa 2008-2018 analysiert. Laut der Umfrage studierte jeder fünfte Architekt in einem anderen Land. In der Architektur Beschäftigte geben durchschnittliche Arbeitswochen von mehr als 40 Stunden an. Die längste Arbeitswoche wird von selbstständigen Architekt*innen, Partner*innen und Direktor*innen in Architekturbüros mit 48 Stunden pro Woche geleistet. Im Jahr 2018 stiegen die durchschnittlichen Einkommen von Architekt*innen. Das geschlechtsspezifische Lohngefälle beträgt 25 Prozent zugunsten männlicher Architekten.

Arbeitszeiten in der Architektur, Berufsfeld Architektur 2.0. Lebenswelten, Wissen und Vernetzung, Studie, Oliver Schürer, Helmut Gollner. Wien (Ö), 2014

Architekt*innen beantworten Fragen zu Studium, Berufseinstieg und Arbeitspraxis in der Architektur. Insgesamt kann festgestellt werden, dass lange Arbeitszeiten und hohe Arbeitsbelastungen im Architekturberuf verbreitet sind. Laut der Umfrage beträgt das Arbeitsvolumen für die selbstständige Architekt*innen 2400 Stunden/Jahr, für Angestellte 2150 Stunden/Jahr. 

Frauen in der Architektur, Vorstudie zur Entwicklung eines drittmittelfinanzierten Forschungsprojektes über fachkulturell relevante geschlechtergerechte Veränderungen in der Architektur, TU München, Deutschland, 2018, S.28-29 

Diese Studie beschäftigt sich mit der Frage, welchen Weg weibliche Architekturabsolventinnen nach dem Uniabschluss einschlagen, da der Frauenanteil in der Berufswelt wesentlich geringer ist als der der Studierenden. Beleuchtet werden die Rahmenbedingungen und die geschlechtsspezifischen Herausforderungen des Architekturberufs. Hierbei werden unter anderem auch Arbeitszeitmodelle untersucht, wobei sich in der Architekturbranche diesbezüglich wenig Innovation zeigt. Teilzeitarbeit wird hauptsächlich von Frauen in Anspruch genommen – oftmals allerdings ungern, da dies meist das Erledigen von wenig verantwortungsvollen Aufgaben bedeutet. Das Modell des JobSharings findet in der Architektur kaum Anwendung. 

Anders arbeiten, Der schönste Job der Welt? Die Arbeitsbedingungen in vielen Architekturbüros sind nach wie vor miserabel., Artikel, Deutsches Architektenblatt, Deutschland 2018

Fünf Führungskräfte in der Architektur berichten, wie eine neue Arbeitskultur gelingen kann. Flexible Arbeitszeitmodelle und Teilzeit Tätigkeit haben Vorteile. Teilzeitkräfte arbeiten zielorientierter und organisierter, um effizient mit ihrer Zeit umzugehen. Es wird als realistisch erachtet, verantwortungsvolle Positionen in Architekturbüros mit einem Beschäftigungsausmaß von 30 bis 32 Wochenstunden zu absolvieren. Torsten Kuß sieht ein Tandemarbeitsmodell als besondere Konstellation. Zwei Mitarbeiter teilen sich eine Stelle und einen Arbeitsvertrag. Andere Architekt*innen berichten über Gleichberechtigung im Büro und Familie. Dies sei auch eine Art des Fühlens, des Einforderns, des Verantwortung-Übernehmens.

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