Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es um die Chancen von Frauen in der Architektur bestellt ist, sollte man sich vor Augen führen, dass das Büro, das derzeit die meisten hochkarätigen Architekturaufträge der Welt erhält, nur zwei von 17 Direktor*innen weiblich sind und diese Webadresse hat: big.dk.
Bis 1972 und der Einführung des Titels IX, der die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in staatlich finanzierten Ausbildungsprogrammen verbot, weigerten sich die meisten amerikanischen Architekturschulen, Frauen zuzulassen. Die letzte große Umfrage in diesem Bereich ergab, dass Frauen die Hälfte der Absolventen von Architekturstudiengängen in diesem Land ausmachen, aber nur etwa 20 Prozent der lizenzierten Architekten und 17 Prozent der Partner oder Direktoren in Architekturbüros stellen.
Es gibt keine einzige oder einfache Erklärung für diese Situation. Und es gibt auch keine einfache Lösung. Die Herausforderung, so Ila Berman, Dekanin der University of Virginia School of Architecture, besteht darin, “eine Kultur zu verändern, die nur durch Repräsentation verändert werden kann, wenn 50 Prozent der Leute im Raum Frauen sind.”
Die vom American Institute of Architects San Francisco Chapter geleitete Initiative “Equity by Design” arbeitet daran, die sogenannte „gläserne Decke“ in der Branche zu beseitigen und Best Practices bei der Rekrutierung, Bindung und Beförderung zu fördern. Im November veröffentlichte die Initiative die Ergebnisse einer Umfrage unter 14.360 Befragten in allen Bundesstaaten und auf sechs Kontinenten. Eines der Ergebnisse: Architektinnen und Designerinnen, die einer Minderheit angehören, verdienen weniger als ihre weißen männlichen Kollegen und sind seltener in Führungspositionen zu finden. Insbesondere Mütter werden bei Karriere- und Gehaltssteigerungen benachteiligt und die Unternehmen haben sich nur langsam an Best Practices in Bezug auf Gleichberechtigung und das Wohlergehen der Mitarbeiter orientiert. Caroline James, Absolventin des Harvard-Architekturprogramms und Gründerin der Lobbygruppe Design for Equality:
“Let’s give women tools they can use. Mentorship. Access to information. The sharing of salary info. It’s time to ID the problem and what we need to do moving forward.“
Frauen sind in der Architektur unterrepräsentiert, nicht nur an der Spitze, sondern auf allen Ebenen der Praxis. In den Jahren 2015 und 2016 waren nur 31 Prozent der voll- oder teilzeitbeschäftigten Fakultätsmitglieder in der Architektur Frauen. Selbst wenn die Zahl der Frauen allmählich zunimmt, geschieht dies meist auf den unteren Stufen der akademischen Welt und des Berufsstandes.
Es überrascht daher nicht, dass der Frauenanteil in der Architektur radikal abnimmt, wenn man auf der Karriereleiter in Richtung höherer Positionen und prestigeträchtiger Ehrungen aufsteigt. Weibliche Mentor*innen und Vorbilder sind rar.
Die Pipeline ist nicht das Problem
Es scheint offensichtlich: Wenn man mehr Architektinnen haben will, muss man mehr Frauen lehren, Architektinnen zu werden. In anderen Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, spricht man von einem “Pipeline-Problem”, dem Glauben, dass ein Mangel an Vielfalt auf einen Mangel an verfügbaren Talenten zurückzuführen ist. Aber fast die Hälfte der Architekturstudenten sind Frauen, warum bleiben dann so wenige nach dem Abschluss in der Branche?
Mehrere der renommiertesten Architekturprogramme des Landes, darunter Yale, Princeton, Columbia, Cornell, die University of Virginia und die University of California, Berkeley, haben in den letzten Jahren Frauen als Dekane oder Direktoren eingesetzt. Es wäre unvernünftig, die Last des Wandels einer Handvoll Frauen aufzubürden – und es ist eine Beleidigung für alle Frauen, anzunehmen, dass diese talentierten und fähigen Architektinnen nur wegen ihres Geschlechts eingestellt wurden. Aber diese Ernennungen beginnen, die Machtverhältnisse zu verändern. Deborah Berke Dekanin der Architekturschule Yale:
“It is meaningful both symbolically and substantially that I’m a woman dean at Yale”, “We won’t see the culture change immediately. But we will see the results.”
Weiterführendes:
Artikel: Where Are All the Female Architects // Allison Arieff // USA // 2018