Durch die Projektarbeit unter hohem Zeit- und Kostendruck in meist kleinen Bürostrukturen wird Vollzeit-Tätigkeit erwartet und wird von 78% aller in der Architektur Tätigen durchgeführt. Der Architekturberuf ist als „Alles oder nichts“ Disziplin mit einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 51 Wochenstunden auf Arbeitnehmerinnen ohne Sorgeverpflichtung ausgerichtet. Kleine Bürostrukturen mit prekären Arbeitsverhältnissen ermöglichen wenig flexible Arbeitszeiteinteilung und bieten wenig finanzielle Sicherheit für Familienplanung und –leben.

Hohe Verfügbarkeit
Die Erwartungshaltung der meist kleinen Büros an die Verfügbarkeit und Einsatzbereitschaft der MitarbeiterInnen ist für Frauen mit familiären Betreuungspflichten schwer erfüllbar. Die Branche scheint wenig flexibel zu sein, was flexible Arbeitszeiten, home office oder job sharing betrifft.

Wenig Verantwortung
Die Gefahr für Frauen ist hoch, ab der Schwangerschaft nur mehr für Routinetätigkeiten eingesetzt zu werden. Nach der Rückkehr aus der Karenz und in Teilzeit tätig werden Frauen oft weit unter ihrer Qualifikation und Erfahrung eingesetzt und mit weniger verantwortungsvollen Tätigkeiten, beispielsweise Zuarbeiten betraut. Insgesamt arbeiten wesentlich mehr Frauen in der Architektur Teilzeit als Männer. Mit einer Teilzeitbeschäftigung ist es allerdings kaum möglich, verantwortungsvollere Positionen wie Projektleitung zu erhalten.

Berufsfeldwechsel
Familiengründung fällt durch das lange Architekturstudium oftmals in die Zeit der Karriereentwicklung und belastet vor allem Frauen bei ungleicher Aufteilung der Familienarbeit. Dies führt in vielen Fällen dazu, dass Betroffene durch die schwierigen berufsspezifischen und auch gesellschaftlichen Rahmenbedingungen den Architekturberuf aufgeben und in sicherere, besser bezahlte und flexiblere Berufsfelder wechseln.

Gleichberechtigung ist einer der Grundsteine in der schwedischen Gesellschaft, Artikel, dezeen.com, UK, 2017

Architekturbüros in Skandinavien haben eine weit bessere Gender Diversity als überall anders in Europa. Vor allem Schweden ist um die Gleichstellung von Mann und Frau sehr bemüht. Gründe dafür sind unter anderem geteilter Elternurlaub, eine kinderfreundliche Familienpolitik und Vertrauen und Verständnis des Arbeitgebers erklärt Alexandra Hagen, Leiterin eines erfolgreichen schwedischen Architekturbüros. Außerdem seien Unternehmen mit einer größeren Vielfalt an Arbeitskräften produktiver und erfolgreicher als jene, die nicht auf diese Vielfalt achten.

Weiterführendes:

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/gleichberechtigung-wenn-frauen-arbeiten-waechst-die-wirtschaft-1.3980587

https://www.diepresse.com/5012626/schweden-kinderkriegen-leicht-gemacht

https://www.zeit.de/2014/08/vereinbarkeit-familie-beruf-deutschland-skandinavien

Anders arbeiten, Artikel, dabonline.de, Deutschland, 2018

Arbeitszeitmodelle sind in der Architekturbranche ein umstrittenes Thema. 82 Prozent der Architekt*innen arbeiten Vollzeit und 84 Prozent leisten wöchentlich Überstunden. Teilzeit und andere flexiblere Arbeitsmodelle haben in der Architektur bisher noch wenig Erfolg, obwohl die interviewten Architektinnen eine Führungsposition in Teilzeit sehr wohl als realistisch erachten. In diesem Bereich ist Skandinavien als Vorbild zu erwähnen, denn hier wird viel Wert auf eine familienfreundliche Politik gelegt und es gibt gesetzliche Vorgaben für eine gleichberechtigte Gesellschaft. 

Architekten loben Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Artikel, iz-jobs.de, Deutschland, 2015

Die deutsche Architektenkammer führte eine Mitglieder-Befragung durch, in der angestellte Architekten unter anderem zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie befragt wurden. 58% der Befragten bewerten die Vereinbarung mit „sehr gut“ bzw. „gut“ und nur 18% mit „mangelhaft“. Zu beobachten ist, dass sich vor allem eher kleine Architektur- und Planungsbüros um ihre Mitarbeiter bemühen. Das am meist genutzte Arbeitszeitmodell ist die Gleitzeit, die etwa 68% aller deutschen Büros anbieten. 

Vereinbarkeit von Architekturberuf und Familie. Strategien, Modelle, Erfahrungen, Studie, S. Forlati, A. Isopp, S. Riß, Wonderland Platform for European Architecture, 2015 

Die Studie zeigt mögliche Modelle und Strategien auf, die die Vereinbarkeit von Architekturberuf und Familie verbessern können. Dargestellt werden aktuelle Zahlen und Fakten in Österreich und Vergleiche mit anderen Ländern. Einen essenziellen Teil dieser Studie bilden die Interviews mit 33 Architekt*innen und deren Erfahrungen in diesem Beruf. In den Befragungen werden Themen wie Beschäftigungsform, Berufsfeld, Wiedereinstieg und Familie behandelt. Daraus wurde ein Entscheidungsbaukasten erstellt, der aufzeigt, welche Entscheidungen im Berufsleben die Vereinbarkeit in welchem Maße beeinflussen. 

Vereinbarkeit Beruf und Familie für Architektinnen, Artikel, ig-architektur.at, Österreich, 2014 

Im Jahr 2014 fanden ein Workshop und eine Podiumsdiskussion zum Thema der Vereinbarkeit von Architekturberuf und Familie statt. 15 Architektinnen sprachen über die Herausforderung, Job und Familie unter einen Hut zu bekommen. In dem Artikel werden die aus diesen Gesprächen und aus zuvor geführten Interviews gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst. Abgedeckt werden Themen wie Arbeitsverhältnisse, Vor- und Nachteile von Angestelltenverhältnis versus Selbstständigkeit, architekturspezifische Herausforderungen und Maßnahmen, um die Vereinbarkeit zu verbessern. 

Vereinbarkeit von Architekturberuf und Familie, Artikel, Anne Isopp, Österreich, 2016

In der Architekturbranche scheint es beinahe unmöglich zu sein, Familie und Karriere zu vereinbaren. Viele Frauen gehen in die Selbstständigkeit, um sich besser organisieren zu können. Andere Architektinnen kehren dem Architekturberuf nach der Geburt des ersten Kindes den Rücken zu, da die Vereinbarkeit als unmöglich erscheint und dies oft als individuelles Problem wahrgenommen wird. Es wäre nun an der Zeit, über eine neue Arbeitskultur und andere Organisationformen nachzudenken, um dieses gesellschaftliche Problem weitgehend in den Griff zu bekommen.  

Interview mit Autorinnen der Studie Vereinbarkeit Architekturberuf und Familie, Interview, Theresa Häfele, Wien (Ö), 2017

In diesem Interview sprechen Anne Isopp und Silvia Forlati über die Studie „Vereinbarkeit von Architekturberuf und Familie“. Die beiden berichten über ihr eigenes Architekturstudium und ihre Berufslaufbahn und darüber, wie sie zu der Studie gekommen sind und welche Fragen sie dabei geleitet haben. Besprochen werden einzelne Themenausschnitte der Studie und auch Schwierigkeiten, die der Architekturberuf ihrer Meinung nach mit sich bringt.

Architektin: mit Kind, ohne Arbeit, Artikel, neon-bureau.ch, Zürich (CH), 2007 

Der Artikel beschreibt die Problematik der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Schweiz. Viele Schweizer Architekturbüros bieten kein familienfreundliches Arbeitszeitmodell für ihre Angestellten, weshalb viele Architektinnen in den klassischen Büros nicht mehr präsent sind. Verwaltungen und Ämter hingegen sind beliebte Anlaufstellen für Teilzeitarbeitsplätze – hier arbeiten sogar auch einige Männer in Teilzeit. Wie einige Beispiele zeigen, hat dieses Arbeitszeitmodell auch Vorteile und würde auch in Architekturbüros funktionieren.

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