Zu den genannten Herausforderungen selbstständiger Architekt*innen wurden Ende 2020 Planerinnen in Wien befragt. Sie haben den großen Schritt in die Selbstständigkeit gewagt, weil sie unabhängig und selbstbestimmt arbeiten wollten.

Die Büros der befragten Architekt*innen existieren im Durchschnitt seit 20 Jahren, wobei es sich bei den meisten um Ein- bis Zwei-Personen-Büros handelt. Dabei reicht das Produktspektrum von großvolumigen Wohnungsbauten und Bildungsbauten bis hin zu Einfamilienhäusern sowie Interiorplanung.

Damit die Architektinnen an Aufträge und Projekte gelangen, nehmen sie teilweise, aber mehrheitlich eher selten an Wettbewerben oder städtebaulichen Studien teil. Hauptsächlich gelangen sie durch Mundpropaganda, Weiterempfehlung und persönliche Kontakte an neue Aufträge. 

Im Wettbewerbswesen fühlen sich alle als weiblich geführtes Architekturbüro benachteiligt. Eine der befragten Planerinnen berichtet sogar, dass Architektinnen bei geladenen Wettbewerben oftmals nur als Quotenfrau(en) nominiert werden, wobei vieles schon im Vorhinein entschieden worden ist.

Die Hälfte der Befragten ist ebenso der Meinung, dass das Einkommen weiblich geführter Architekturbüros geringer ist als bei männlich geführten Büros. Viele begründen dies aber damit, dass weiblich geführte Architekturbüros oft kleiner sind und daher auch nur kleine Projekte bearbeitet werden, die ohnehin weniger Geld einbringen.

Darüber hinaus sind sich die Planerinnen einig, dass bei Honorarverhandlungen generell ein selbstbewusstes Auftreten notwendig ist, unabhängig davon welches Geschlecht das Honorar verhandelt.

“Grundsätzlich sind kleinere Bürostrukturen vermutlich weniger gewinnbringend als größer strukturierte Büros. Dies würde ich nicht auf ein weiblich geführtes Architekturbüro zurückführen. Es ist jedoch richtig, dass kleiner Projekte zeitaufwendiger sind, jedoch weniger Honorar bringen. Kleinere Strukturen bearbeiten oft kleinere Projekte – die Projektgröße richtet sich nach der Struktur und dem Haftungsrisiko.“

24 Gramm Architektur

Nahezu alle Architektinnen sind sich einig, dass für die Sichtbarmachung ihrer eigenen Projekte eine ansprechende Website und soziale Netzwerke heutzutage unabdingbar sind. Eine der Architektinnen hat hierfür sogar eine externe Beraterin zugezogen, die sich ausschließlich darum kümmert. 

Bezüglich ihrer eigenen Führungskompetenz beschreiben sich viele der Architektinnen selbst als sozial kompatibel mit Einfühlungsvermögen sowie als gute Zuhörerinnen. Erwähnt wird auch eine gute Projektleitungskompetenz und Kommunikationsfähigkeit als Führungskompetenz. Gute Teamarbeit sowie Erfahrung und das notwendige Interesse nennen die Befragten ebenso.

“Jedoch sieht man im Laufe der Zeit die starken Netzwerke der Männer und daher war es mir wichtig eine besonders gute Arbeiten mit viel Engagement und Kampfgeist zu erbringen, die „mein“ Markenzeichen sind. Als Frau muss man immer besser sein.“

SNE VESELINOVIĆ

Zwei der fünf befragten Architektinnen haben keine Kinder, auch weil das damals aufgrund mangelnder Unterstützung für selbstständige Architektinnen nicht möglich war. Die größten Herausforderungen, Beruf und Familie zu vereinbaren, sehen die Architektinnen in der Organisation und dem Zeitmanagement. Angemerkt wird auch, dass es in der Selbständigkeit einfacher zu managen ist als im Angestelltenverhältnis, da man gleichzeitig flexibler ist.

Ohne Unterstützung ist das allerdings trotzdem nicht möglich. Um eine gute Vereinbarkeit zwischen Familie und Architekturberuf zu erzielen, braucht es laut den Architektinnen eine gute Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeiten, die Möglichkeit zum Homeoffice und unbedingt die Gleichberechtigung in der Beziehung, also Teamwork zwischen Mann und Frau.

Als selbstständige Architektinnen waren alle schon mit den Herausforderungen in einer männlich dominierten Branche konfrontiert. So wurden manche oft nicht ernst genommen und technisches Know-How wurde nicht zugetraut, oder sie wurden sofort als Innenarchitektin abgestempelt, während die starken Netzwerke der Männer die Anerkennung der eigenen Arbeit erschweren. Als Frau muss man besser sein als Männer, um anerkannt zu werden.

“Du wirst oft nicht ernst genommen, du musst besser sein als Männer, um als halb so gut anerkannt zu werden. Oder Männer haben Angst vor Dir, weil Du besser bist.”

Silohee Gnugesser

Dabei stellen drei der fünf Befragten einige Unterschiede in der Arbeitsweise von männlichen und weiblichen Architekt*innen fest. Während sie Männer als meist selbstbewusster und zielorientierter agierend ansehen, bemerken sie bei Frauen, dass sie vermehrt in Varianten arbeiten und Kritik ernster nehmen. Dadurch, dass die weibliche Erfahrungswelt eine andere ist, wird auch anders gearbeitet.

Eine Chancengleichheit von weiblich und männlich geführten Architekturbüros auf dem Markt sehen vier der fünf Befragten nicht als gegeben. Als Gründe dafür nennen sie vorrangig das Fehlen von weiblichen Netzwerken und die weiterhin männlich dominierte Bauwelt. Zudem sind Männer meist risikobereiter und vor allem Architektinnen mit Familie können sich das nicht leisten.

Deshalb sehen die Architektinnen folgende Fähigkeiten und Strategien als notwendig, um als selbstständige Architektin erfolgreich zu sein: Neben Zielstrebigkeit und Kundenorientiertheit ist vor allem Selbstbewusstsein ausschlaggebend und dass man für die Architektur brennt und kämpfen will. Zudem muss man sich bewusst sein, dass man Unternehmerin mit allen Begleiterscheinungen ist und ein großer zeitlicher Aufwand sowie Kommunikationsfähigkeit nötig sind.

Um die Zahl der selbstständigen Architektinnen in Zukunft zu erhöhen, schlagen die Architektinnen Förderungsprogramme, Frauenquote oder Architekturpreise für Frauen vor.

„Den Mädchen (sollte man) schon in der Kinderkrippe vermitteln, dass wir auch technisch versiert sind und ihnen die Scheu und unbegründete Angst vor „männerdominierten“ Berufen nehmen“

Astrid Wildner

Interviews mit 24 Gramm, Silohee Gnugesser, Sne Veselinovic, Astrid Wildner und Lisa Zentner:

https://diearchitektinnen.files.wordpress.com/2021/01/interviews-gesammelt-alphabetisch.pdf

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