Beruf und Familienleben zu vereinbaren ist eine der größten Herausforderungen für selbstständige Architektinnen. Zwar bietet die Selbstständigkeit in puncto Flexibilität und Zeiteinteilung einige Vorteile, doch birgt sie auch finanzielle und berufliche Unsicherheiten. Auf berufsspezifischer Seite gibt es folgende Verbesserungsansätze für die Vereinbarkeit, die auch mit einem beruflichen Wertewandel zu tun haben:
- Abkehr von der Berufsideologie des 100% arbeitenden und verfügbaren Architekten: Frauen können auch bei geringerem Zeitaufwand den Architekturberuf professionell und kreativ ausüben.
- Neue Organisationsformen und Arbeitsstrukturen, die auf Arbeitszeitflexibilität, Jobsharing Modelle, vermehrtes Teamwork und verbessertes Wissens- und Zeitmanagement setzen.
- Netzwerke, die Architekt*innen hinsichtlich Elternschaft und Vereinbarkeit vorbereiten und Unterstützung bieten. Essentiell ist die gleichzeitige Behandlung beruflicher und familiärer Themen durch Bewusstseinsbildung, Erfahrungsaustausch, professionelle Begleitung, Bauherr*innenkontakte und Strategieentwicklung, angedockt an Institutionen.
Sensibilisierung beider Geschlechter
Bereits im Rahmen der Architekturausbildung soll bei beiden Geschlechtern ein grundsätzliches Bewusstsein für diese wichtige Thematik geschaffen werden. Dies wird derzeit nicht thematisiert. Eine Vorbereitung auf den Umgang mit Herausforderungen im späteren Berufsalltag soll ermöglicht werden. Somit kann eine, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf betreffende, Toleranz im vornherein bei beiden Geschlechtern entwickelt und Wege zur besseren Handhabung in der künftigen Berufsrealität aufgezeigt werden.
Kristin Engel – Die Unabhängige, Artikel, Kerstin Kuhnekath, DAB Deutsches Architektenblatt (D), 2020.
Die Berliner Architektin Kristin Engel genießt die Freiheit und Verantwortung in der Selbstständigkeit. Als weibliche Angestellte fühlte sie sich auch bereits vor der Mutterschaft in ihrer beruflichen Entwicklung gehemmt, weshalb sie sich von den Strukturen gelöst hat. Engel fordert, jeder solle sein Recht auf Sichtbarkeit ausleben können. Man sei nun einmal nicht von 9 bis 17 Uhr Architektin und den Rest der Zeit Mutter, Ehefrau oder Freundin, sondern all das zugleich. Und das sollte kein Nachteil sein.
Lieber wieder Architektin. Best practice aus dem Norden. Artikel, New Monday, München (D), 2019.
Die Familienpolitik in den skandinavischen Ländern hilft dabei, alte Rollenbilder aufzubrechen. Die sogenannte “Daddy-Quota” reserviert einen bestimmten Anteil der Elternzeit ausschließlich für Väter. Wird sie gleichmäßig zwischen Mutter und Vater aufgeteilt lockt auch noch ein Bonus. Zudem gelten gesicherte Kinderbetreuung ab dem 1. Lebensjahr und ein flexiblerer Arbeitsalltag als fortschrittliche Maßnahmen, die Job und Familienleben erleichtern.
Es gibt keinen perfekten Zeitpunkt, Artikel, Lars Menz, DBA Deutsches Architektenblatt (D), 2019.
Die Architektinnen Dilek Ruf und Tatjana Sabljo aus Hannover sprechen in dem Interview über die Gründung eines Architekturbüros und über die Herausforderung, Beruf und Familie zu vereinbaren. Dabei gibt es nicht den einen richtigen Weg oder den perfekten Zeitpunkt: Gründung und Familienplanung fallen in der Regel zusammen und es bedarf großer Bereitschaft sich auf diesen intensiven Weg einzulassen.
Genug Zeit für die Familie und den Beruf? Eine Konstanzer Architektin schafft das mit viel Planung, Artikel, Wiebke Wetschera, Südkurier, Konstanz (Ö), 2018.
Organisation lautet das Stichwort im Familienalltag von Regine Reimold: Die 43-Jährige ist selbstständige Architektin und Mutter einer Vierjährigen. Erst durch ihre Tochter hat sie daran gedacht, sich selbstständig zu machen. All das klappt aber nur, wenn die Familie gut durchorganisiert ist.
Architektinnen. Ihr Beruf, ihr Leben, Studie von Ulrike Eichhorn, Berlin (D), 2013.
Auf den unverändert prekären Status von Architektinnen wird mittels Daten, Fakten und Werdegängen von Architektinnen aufmerksam gemacht. Untersucht werden auch Vorbilder, Ausbildung, Leben und Berufsalltag. Wie arbeiten Frauen in der von Männern geprägten Baubranche? Welche Berufswege und Möglichkeiten haben sie und wie lassen sich Beruf und Familie vereinbaren?
Das Berufsfeld Architektur im Strukturwandel von Arbeit und Familie, Essay, Christoph Reinprecht, in Studie: Vereinbarkeit von Architekturberuf und Familie – Strategien, Modelle, Erfahrungen, Wien (Ö) 2015. S.68.
Der Soziologe Christoph Reinprecht schreibt über mögliche Ansatzpunkte für einen Strukturwandel im Berufsfeld Architektur und über das Thema der „Entgrenzung“ in Bezug auf Geschlechterrollen sowie Beruf und Familie.